Hängt die Überlebenschancen von Krebspatienten mit dem Wohnort zusammen?
Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums haben sich dieser Frage in einer Studie gewidmet. Selbst in Deutschland, wo eine freie Arztwahl herrscht, ein hohes Versorgungsniveau und flächendecke Gesundheitsleistungen gegeben sind, hängt das Leben vom Wohnort ab, so die Ergebnisse.
Untersuchung von einer Million Krebspatienten
Die Untersuchung umfasste eine Million Patienten, die zwischen 1997 und 2006 an einer der 25 häufigsten Krebsarten erkrankten. Die Patienten litten an Lugen-, Darm-, Prostata-, Brust-, oder Hautkrebs und wurden in den deutschen Landeskrebsregistern erfasst. Für die Analyse wurden lediglich die Landkreise, in der die Patienten wohnen, verwendet und keine genauen Wohnorte, weil die Krebsregister die Anonymität der Patienten wahren.
Die Studie berücksichtige außerdem vor allem Bayern, Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Hessen, Baden-Württemberg, Thüringen und Regionen wie das Ruhrgebiet blieben außen vor, da hier keine lückenlosen Daten seit 1997 vorlagen. Die Landkreise wurden in fünf sozioökonomische Gruppen eingeteilt, von „gut situiert“ bis „wirtschaftlich und sozial benachteiligt“. Indikatoren waren das Pro-Kopf-Einkommen, die Arbeitslosenquote sowie kommunale Einnahmen und Ausgaben. Aber auch die Häufigkeit von Unfällen im Straßenverkehr, die Zahl der Straftaten oder die Wahlbeteiligung wurde erhoben. Zusätzlich flossen in die Untersuchung Aspekte ein, die Einfluss auf die Gesundheit nehmen.
Der soziale Status bestimmt die Überlebenschancen
Doch was hat die Zahl der Straftaten mit den Überlebenschancen eines Krebspatienten zu tun? Von einem direkten Zusammenhang kann man hier tatsächlich nicht sprechen. Solche Aspekte geben jedoch Informationen zu der Sicherheit und dem Wohlbefinden in einer Region. In wohlhabenden Gebieten leben Patienten länger als in ärmeren. Dies betrifft zwar, wie zu erwarten den Osten, aber nicht nur. Auch in anderen Bundesländern gibt es vereinzelt solche ärmere Landkreise. Zum Beispiel sterben Krebspatienten in Landkreisen wie Müritz in Mecklenburg-Vorpommern oder Vogtlandkreis in Sachsen in den ersten drei Monaten nach der Diagnose mit einer höheren Wahrscheinlichkeit von 33 Prozent als in anderen Landkreisen. Nach einem Jahr beträgt der Unterschied noch 20 Prozent, nach fünf Jahren noch 16 Prozent. Gerade in der Anfangsphase sind also die größten Unterschiede. Doch auch bei Krebserkrankungen im gleichen Tumorstadium sind die Überlebenschancen in wohlhabenderen Gebieten besser. Nur bei Brustkrebs und Prostatakrebs ist dies nicht der Fall – zwei Krebsarten bei denen Früherkennung eine wichtige Rolle spielt. Die Studie kann also einen Zusammenhang zwischen sozialem Status und den Überlebenschancen nachweisen. Jedoch liefert sie keine Ergebnisse über Ursache und Wirkung. Diese Gründe herauszufinden wäre ein weiterer wichtiger Schritt, um etwas für die Chancengleichheit zu tun.
Studie stößt an ihre Grenzen
Erste Vermutungen haben die Wissenschaftler aber schon jetzt. Beispielsweise sind Spezialkliniken für Tumorerkrankungen nicht überall gleich gut verteilt. Weiterhin könnte der Lebensstil eine Rolle spielen. Es gibt viele Studien die aufgezeigt haben, dass sich Menschen aus ärmlichen Verhältnissen schlechter ernähren, häufiger rauchen und mehr Alkohol trinken. Um persönliche Faktoren zu vergleichen, fehlen jedoch die Daten. Das ist ein großes Problem in der empirischen Forschung. Sicherlich muss Privatsphäre gewährt werden, jedoch stößt man damit schnell an die Grenzen der Forschung und verhindert gegebenenfalls aussagekräftige Ergebnisse. Ein Beispiel für einen persönlichen Faktor ist die Zuverlässigkeit, mit der Patienten die Anweisungen ihres Arztes befolgen. Je nach sozialer Schicht variiert die Mitarbeit der Patienten. Unterschiede müssen selbstverständlich so gut es geht ausgeglichen werden, wenn sie auf Grund regionaler oder sozialer Faktoren entstehen. Doch es liegt auch an den Menschen selbst. Die besten Ärzte bringen nichts, wenn man nicht hingeht.